Spontane intrakranielle Blutungen

Spontane intrakranielle Blutungen treten in Europa und Nordamerika mit einer Häufigkeit von etwa 30/100'000 Personen pro Jahr auf. Nach ihrer primären Lokalisation werden sie folgendermassen unterteilt, wobei es selbstverständlich auch Mischformen gibt:

  • Intrazerebrale Blutungen
  • Ventrikelblutungen
  • Subarachnoidalblutungen


Die Demographie der betroffenen Patientengruppen ist verschieden, somit sind bestimmte Blutungsformen in einem bestimmten Lebensalter häufig auch richtungsweisend für eine dezidierte Ursache.


Intrazerebrale Blutungen (ICB)

Das mittlere Alter für die spontane ICB liegt mit ca. 65 Jahren hoch. Ab 65 Jahren steigt das Blutungsrisiko signifikant an. Für die Gesamtbevölkerung liegt die Inzidenz bei 12-15/100'000 Personen pro Jahr, ab dem 75. Lebensjahr liegt sie jedoch bei über 100/100'000 Personen pro Jahr. Alkoholmissbrauch, arterieller Bluthochdruck, erhöhtes Cholesterin und vorangegangene unblutige Schlaganfälle erhöhen das Risiko für das Auftreten einer ICB. Meist handelt es sich um tiefliegende, d.h. im Bereich der sogenannten Stammganglien lokalisierte Blutungen, die auf der Grundlage langebestehender arterieller Hypertonie mit Sklerosierung der kleinen regionalen Endarterien entstanden sind. Diese Gefässe sind sehr fragil und können extreme Blutdruckspitzen nicht mehr gut kompensieren, und reissen schliesslich unter Blutdruckbelastung. Auch peripher gelegene, lobäre Blutungen im hohen Lebensalter haben ihre Ursache hauptsächlich in einem degenerativen Prozess der kleinen Hirnarterien, der sogenannten Amyloidose. Gemeinsam ist den ICBs im hohen Lebensalter ihre schlechte Prognose mit einer geschätzten Einjahres-Mortalitätsrate von ca. 40% - und leider gibt es noch immer keine ädequate Behandlungsstrategie. So macht es keinen Unterschied für die Patienten, ob man sie (offen, endoskopisch oder stereotaktisch) operiert, oder ob man sie lediglich internistisch oder neurologisch und intensivmedizinisch betreut. Wenngleich dies von Angehörigen und Betroffenen wie auch von vielen Medizinern als fatalistisch angesehen wird, sollte man deshalb diese Art der Blutungen auch nicht operativ angehen. Zum problematischen Spontanverlauf kämen nämlich noch die möglichen Eingriffskomplikationen hinzu.  Dies betrifft in erster Linie die im Grosshirn gelegenen Hämatome. Die Operation von spontanen Kleinhirn-ICB hat dagegen eine deutlich bessere Prognose, weshalb man diese Blutungen auch meist ausräumt, sofern die Patienten noch nicht in zu schlechtem präoperativen Zustand sind. Chronische Erkrankungen des höheren Lebensalters wie Diabetes, arterielle Hypertonie oder obstruktive Lungenerkrankungen tragen ebenfalls negativ zum Gesamtverlauf, beispielsweise durch Sekundärkomplikationen, bei. Aktuelle klinische Studien betreffen die Hypothese, dass die Gabe bestimmter Blutfaktorenpräparate, wie z.B. des rekombinanten Faktors VIIa, die Prognose von ICB-Patienten verbessert.


Ventrikelblutungen (VEB)

Auch die spontane Ventrikelblutung (VEB) tritt ebenfalls am häufigsten im höheren und hohen Lebensalter auf. Die Hauptursachen sind wie bei der ICB arterielle Hypertonie und Arteriosklerose. Oft treten ICB und VEB auch gemeinsam auf, so zum Beispiel im Fall einer in den Stammganglien gelegenen ICB, die Anschluss an die benachbarten Seitenventrikel findet. Die Mortalität der spontanen VEB war bis vor etwa 10 Jahren mit ca. 60% sehr hoch, und hat sich durch die Anwendung der intraventrikulären Thrombolyse deutlich gebessert. Diese sollte jedoch innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Blutung begonnen und nur in Zentren mit der entsprechenden Möglichkeit zur Anlage externer Ventrikeldrainagen und adäquater Überwachung durchgeführt werden, da diese Methode noch nicht standardmässig etabliert und durchaus auch risikoreich ist.

 
Ganz wichtig ist der Befund, dass ICB und VEB bei Menschen jüngeren Lebensalters stets suggestiv für das Vorliegen einer vaskulären Malformation (arteriovenöse Missbildung oder arteriovenöse Fistel) sind. Diese Patienten sollten unbedingt angiographisch abgeklärt werden, da man diese Missbildungen grösstenteils gut behandeln kann. Für sie gilt also üblicherweise ein anderes diagnostisches und therapeutisches Vorgehen als bei alten Menschen mit den typischen ICBs hypertensiven Ursprungs.


Subarachnoidalblutungen (SAB)

Die aneurysmatische SAB ist eine Blutungsform, die üblicherweise mit plötzlich einsetzenden dramatischen Kopfschmerzen einhergeht. Verursacht wird sie durch die Ruptur eines sogenannten Aneurysmas, einer sackartigen Ausstülpung einer Hirnarterie. Das Blut strömt üblicherweise nicht direkt in das Hirngewebe ein, sondern verteilt sich um das Gehirn herum und zwischen den Hirnlappen liegenden Hirnwasser führenden zisternalen Räumen. Der durch die Blutung bedingte Druckanstieg im intrakraniellen Raum ist so hoch, dass etwa ein Drittel aller Betroffenen sofort verstirbt. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei ca. 45-50 Jahren – mit einer Häufigkeit von ca. 10/100'000 Personen pro Jahr. In der Schweiz sind also jährlich etwa 700-800 Menschen von einer solchen Blutung betroffen. Diese rupturierten Aneurysmen sind so schnell wie möglich durch eine neurochirurgische Operation mittels eines Clips von aussen, oder mittels durch einen langen intraarteriellen Katheter einzubringende Platinspiralen von innen her zu verschliessen, damit sie nicht wieder rupturieren können. Daher sollten die betroffenen Patienten so rasch wie möglich in ein entsprechend ausgestattetes Zentrum verlegt werden. Leider ist selbst bei optimaler Versorgung nur in etwa einem Drittel aller Fälle mit einem guten Spätergebnis zu rechnen, da diese Art der Blutung noch weitere schwere Komplikationen (z.B. Hirninfarkte, Hydrozephalus, Herzinfarkte, hormonelle Störungen und andere) mit sich bringen kann. Da bekannt ist, dass ca. 2-5% der Bevölkerung Träger eines Hirnarterienaneurysmas sind, von denen nur die wenigsten jemals rupturieren, werden viele Anstrengungen unternommen, die Betroffenen zu identifizieren, bei denen das Risiko einer Ruptur hoch ist. Arterielle Hypertonie und Tabakkonsum sind klar identifizierte Risikofaktoren hinsichtlich einer Ruptur.

Andere spontane Blutungsformen ausser den genannten Hauptgruppen, zum Beispiel tumor- oder entzündungsassoziierte ICBs, sind sehr selten.


Literatur

  • Al-Shahi R, Warlow C: A systematic review of the frequency and prognosis of arteriovenous malformations of the brain in adults. Brain 124:1900-1924, 2001
  • Andaluz N, Zuccarello M: Recent trends in the treatment of spontaneous intracerebral hemorrhage: analysis of a nationwide inpatient data base. J Neurosurg 110:403-410, 2009
  • Kirkman MA, Mahattanakul W, Gregson BA, Mendelow AD: The effect of the results of the STICH trial on the management of spontaneous supratentorial intracerebral haemorrhage in Newcastle. Br J Neurosurg 22:739-747, 2008
  • Molyneux AJ, Kerr RSC, Birks J, Ramzi N, Yarnold J, Sneade M, Rischmiller J: Risk of recurrent subarachnoid heaemorrhage, death, or dependence and standardised mortality ratios after clipping or coiling of an intracranial aneurysm in the International Subarachnoid Aneurysm Trial (ISAT): long-term follow up. Lancet Neurol 8:427-433, 2009